Als Alleinunterhalter sucht Jo Konrad nun die Öffentlichkeit. Im Timing passend zu seinem Artikel in der DULV-Info hat er nun den Aerokurier dazu gebracht, ihm in Heft 7 / 2011 einige für ihn passend ausgesuchte Fragen zu stellen. Offensichtlich will er nun unter Piloten Stimmung machen gegen das LBA und Ministerium - als alleinschuldige Verursacher der ganzen Misere.
Die vollmundig verbreiteten Halbwahrheiten haben mich zu einem offenen Brief an die Redaktion veranlasst, dessen Text ich hier einstelle:
Immerhin hat Jo Konrad Sinn für Ironie. Er schreibt am Ende:Offener Brief an
Redaktion aerokurier
Ubierstraße 83
53173 Bonn
Via E-Mail-Anlage an: redaktion@aerokurier.de
Betrifft: Ausgabe 7 / 20011 - Interview mit Jo Konrad zu den 120 Kg-Dreiachsern
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei Ihrem Interview mit Jo Konrad wurde leider ein sehr wichtiger Aspekt ausgelassen:
Die 120 Kg-Geräte sind nicht nur durch ihr eingeschränktes Leergewicht definiert, sondern genießen als „Deregulierte“ im Gegenzug drei wesentliche „Freiheitsgrade“:
Im Interview erwähnen Sie davon nur die Medical-Freiheit. Diese spielt aber in Zukunft keine große Rolle, wenn das „Hausarzt - Medical“ für alle „Leichtgewichte“ bis 600kg MTOW ausreichen wird – wie von Jo Konrad auch richtig ausgeführt.
Langfristig entscheidend sind daher für die Differenzierung / Definition der 120er als DEREGULIERTE Geräte:
- Kennzeichenfreiheit: Im Straßenverkehr kennen wir das von Fahrrädern.
- Keine Verpflichtung zur Jahresnachprüfung: Der Halter hat eigenverantwortlich die Flugtüchtigkeit zu prüfen und aufrecht zu halten. Vergleiche Mofa, kein TÜV.
Diese per Gesetz zugestandenen Freiheiten haben klare Voraussetzungen:
- Kennzeichenfreiheit: Das Gerät muss ein so geringes Gefahrenpotenzial für die Allgemeinheit haben, dass niemand über das Kennzeichen den Piloten oder Halter identifizieren und gegebenenfalls anzeigen können muss.
- Keine JNP: Der Halter muss in der Lage sein, den Zustand / die Struktur des Gerätes in Fragen der Sicherheit und Festigkeit zu beurteilen.
Beide Voraussetzungen werden von den Geräten, die unter Wortführung des DULV in die neue Klasse der Deregulierten „gedrückt“ werden sollen, mit Sicherheit nicht erfüllt:
- Gefährdungspotenzial: „Bonsai-Racer“ mit einem Speed-Horizont bis über 200 km/h verfügen über vergleichbare oder sogar höhere kinetische Energie als z.B. ein kennzeichenpflichtiger Einsitzer mit 315 kg MTOW und 170 km/h
- Verzicht auf verbindliche JNP: Sogar für Fachleute ist es schwierig, z.B. Kevlar-Verbund-Holme auf eventuelle Schädigungen zu überprüfen. Ein Laie kann der geforderten Selbstverantwortung beim besten Willen nicht nachkommen.
Aus diesen Gründen ist es mehr als irreführend, wenn von Jo Konrad auf die „positiven Erfahrungen“ bei Motorschirmen und leichten Trikes verwiesen wird:
- Die einfache Technik von 120 kg Motorschirmen und Trikes ist für Laien prüfbar. Die Selbstverantwortung als Ersatz der JNP kann wahrgenommen werden.
- Nicht nur Motorschirme, auch die leichten Trikes haben konstruktionsbedingt einen geringen Speed-Horizont und können mit geringer Vmin schadlos für sich und andere auf fast jeder Wiese landen. Das Gefährdungspotenzial ist vernachlässigbar klein.
- Bei einem Gerät mit theoretischer Vmin von 65 km/h (in der Praxis bekanntlich teils deutlich höher), ist das Risiko bei Notlandungen fraglos größer.
- Nicht grundlos wurde bei den deregulierten, aber sehr leistungsfähigen Gleitflugzeugen eine Vmin von 55 km/h festgelegt.
Das Beispiel der 120-Kg-Motorschirme und Trikes ist jedoch natürlich wirklich positiv – sofern man einen äquivalenten Dreiachser daraus ableitet. Nur mit einem solchen Ausblick hat man ja auch LBA und Ministerium überhaupt zur Änderung von LuftVZO § 1 Abs. 4 bewegen können: Dreiachsige „Einfachstgeräte“ sollten analog zu leichten Motorschirmen und Trikes wieder eine Chance haben, sich preiswert im Markt zu positionieren. (Günter Bertram, Generalsekretär des DAeC in einem Dankes-Schreiben an das Verkehrsministerium vom 07.08.2009).
Die zweite „Auslassung“ im Interview: Für „Einfachstgeräte“, wie sie der DAeC benannte, bedarf es keiner LTF-UL. Im Gegenteil: Durch hohen und entsprechend teuren Konstruktions-, Bürokratie- und Prüfaufwand, der für langsame Geräte völlig unnötig ist, verhindert sie vielmehr die Herstellung preiswerter, bescheidener aber dennoch sicherer Geräte.
Denn LTF-UL wurde einzig entwickelt, um den komplexen Technologien modernster Hochleister mit Verbundwerkstoffen und bester Aerodynamik gerecht zu werden. Technologien also, die eine technische Selbstverantwortung durch Laien, wie sie bei den deregulierten Dreiachsern vom Gesetz vorgesehen ist, per se ausschließen.
Die letzte, vielleicht wichtigste „Auslassung“ im Interview: Wenn die LTF-UL als Bauvorschrift übernommen würde, müssten Kennzeichenpflicht und verpflichtende JNP auch für die 120 Kg-Dreiachser erhalten bleiben. Als einzige Deregulierung bliebe dann nur noch die Medical-Freiheit. Doch da – siehe oben - in absehbarer Zeit für alle „Leichtgewichte“ das Hausarzt-Medical genügt, entfällt auch dieses Unterscheidungs-merkmal zu schwereren Uls. Ergebnis: Die Käufer- / Zielgruppen verschmelzen.
Was dann von den 120 Kg-Dreiachsern bliebe, wäre schlicht und einfach: Nichts.
Denn die „Bonsai-Racer“ werden dann nur noch in der bestehenden Klasse bis 315 Kg Käufer finden. Dann aber wenigstens mit halbwegs vernünftigen Antrieben. Bis heute ist es ja noch keinem Hersteller gelungen, nach der aufwändigen LTF-UL einen 120 Kg-Dreiachser mit Viertaktmotor innerhalb des Gewichtslimits nachzuweisen.
Die für die Gesetzesänderung versprochenen Einfachgeräte aber, die preiswert und in Eigenverantwortung DEREGULIERT betrieben werden können, wird es dann weiterhin nur als Motorschirme und Trikes geben. Das ganze Gezerre im Sinne einer kleinen Seilschaft, die in einer überschaubar kurzen Interimszeit Geschäfte mit „Medical -Flüchtlingen“ machen will, hat dann nur eines gebracht: Die schöne Variante des wirklich leichten, unbürokratischen und dafür bescheidenen Fliegens mit kleinen Dreiachsern wie in USA oder England wurde in Deutschland endgültig zu Grabe getragen.
Last not least: Jo Konrad hat meines Wissens keine Unwahrheiten im Interview gesagt. Aber auch durch Weglassen wichtiger Punkte kann man gezielte Desinformation betreiben. Ich würde mir wünschen, dass die Redaktion des aerokurier durch ausreichende Recherche und entsprechend anspruchsvollere Fragestellungen in Zukunft das Zünden solcher „verbalen Nebelkerzen“ etwas erschwert.
Mit freundlichen Grüßen
„Wir werden mit einem Pfund noch wuchern. Unsere ULs haben sich weltweit als Standard etabliert – das zeigt auch der Erfolg deutscher Leichtflugzeuge in der LSA-Klasse.“
Wie wahr: Deutsche „ULs“ wurden zu einer neuen, besseren E-Klasse. Und landen nun als LSA ganz logisch unter den Fittichen der EASA.
Doch Jo Konrad will jetzt weltweit „auch am unteren Ende der UL-Fliegerei die technische Führerschaft übernehmen“. Jawoll, am deutschen UL-Wesen wird die Welt genesen. Und wenn dann die deutschen 120 Kg-Hochleister mit 200 km/h und Riesenreichweite quer durch Europa pfeilen, haben wir eine weitere Klasse, die von der EASA – völlig zu Recht - vereinnahmt werden wird. Deregulierung sieht anders aus....
Wer das Interview nicht kennt / den aerokurier nicht liest, kann sich wegen näherer Informationen unter PN bei mir melden.
Mike