Flächenbelastung und anderes

Allgemeine Diskussionen über das "wahre" Ultraleichtfliegen

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busbumde
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Flächenbelastung und anderes

Beitrag von busbumde » So 20. Mai 2007, 11:20

Ich will es nicht unter den Unfall schreiben, aber eines sollte jedem ganz klar sein: Mit steigender Flächenbelastung wird ein gegebenes Flugzeug, ein gegebener Flugzeugtyp,immer empfindlicher.

Zunächst: 1 qm Fläche kann fast unabhängig!!! vom Profil (das Profil bestimmt in erster Linie bei welchem Widerstand Auftrieb erzeugt wird) nur einen ganz bestimmten Auftrieb erzeugen. Werden diese 100% des Möglichen erreicht, fällt der Flieger bei der geringsten Asymmetrie, bei der geringsten Steuerbewegung runter.

Bei einem UL-Flugzeug mit hoher Flächenbelastung ist diese natürliche Potenz von 1 qm Flügelfläche bei ul-typischen Start- und Landegeschwindigkeiten zu 80% ausgeschöpft, bei Flugzeugen mit geringer Flächenbelastung nur zu 60%. Die Reserve ist also beim gering flächenbelasteten Flieger bezogen auf das, was der hochbelastete Flieger an Reserve hat, 100%!!!! größer.

Erhöhen läßt sich die geringe Reserve des hochbelasteten auch nur durch Geschwindigkeit, denn der verfügbare Anstellwinkel liegt schon im oberen Bereich. Bei einem Motorausfall oder unbeabsichtigten Verlust an Geschwindigkeit neigt das höher belastete Flugzeug daher viel schneller und unerwarteter zum plötzlichen Abknicken oder Eindrehen. Es ist also potentiell gefährlicher. Und zwar um 100%, bezogen auf die Reserve und im Vergleich zum Low-und-Slow-UL.

(In x-plane prüft man deshalb seine Konstruktion dadurch, daß man die Flächenbelastung immer mehr erhöht und immer dieselben Manöver vorgibt. Die beste Auslegung ist dann die, die darauf erst sehr spät mit Abknicken oder Eindrehen in eine Trudelbewegung reagiert. Und die Unterschiede sind je nach Konfiguration und Auslegung, obwohl die Flieger fast identisch ausehen, sehr groß. Viel größer, als man glauben möchte.) Hinzu kommt nämlich noch folgendes:

Ein Flugzeug mit niedriger Flächenbelastung fliegt bei Rechteckflügel mit jedem denkbaren Phantasieprofil, solange das nicht enorm spitz an der Vorderkante ist oder dort einen großen Durchmesser hat, auf den keine größere Wölbung mehr folgt - Hysteresegefahr. D.h. Die Profile von C22, Sunny, Skywalker, auch Rans etc, die alle aus Rohrdurchmessern und Phantasie bzw. Erfahrung geboren sind, durften so aussehen, weil die Flächenbelastung gering war und so dem Flügel wenig von der seiner möglichen Auftriebspotenz abverlangt wurde.

C42 und andere Rohr-Tuch-Flieger sind daher bereits ein Grenzfall, denn obwohl die Flächenbelastung gestiegen ist, werden immer noch Profile eingesetzt, die nicht standardisiert sind, die also nie einen Windkanal gesehen haben und von denen man - Klartext - garnichts weiß. Außer, daß sie bei niedriger Flächenbelastung funktioniert haben. Eine C42 muß daher bei gleichem Flügel auf Motorausfall und anderes heftiger reagieren als eine C22 mit dem gleichen Profil. Und ich meine denn auch zu beobachten, daß es mit der C42 deutlich mehr Probleme in kritischen Sitiuationen gibt, als mit der C22.

Es kommt noch etwas hinzu: Moderne UL haben zwar standardisierte Profile und feste profiltreue Flächen, aber sollen diese Vögel auch eine verkaufbare Leistung bringen, dann kann man nicht durch eine starke aerodynamische oder geometrische Verwindung, die den Flügel außen entlastet (ihn damit auch entschärft) die Leistung wieder kaputtmachen. Zumindest meine ich zu beobachten, daß die moderen Flieger außen wesentlich weniger Schränkung haben als etwa eine Cessna 150 bei ähnlichem Flächengrundriss. Das macht solch ein hoch flächenbelastetes Flugzeug, weil nicht entschärft, noch empfindlicher.

Hinzu kommt noch eines: Eine C 22 mit eher weichem Flügel bekommt durch die Aeroelastizität ihres Flügel bei zunehmender Belastung, also auch zunehmend gefordertem Auftrieb, eine zunehmende Schränkung. Schon alleine deswegen, weil der hintere Hom dünner ist. Im Kurvenflug rutscht die Gesamtbelastung zusätzlich nach hinten und der dünne hintere Holm weicht etwas nach oben aus - Schränkung.

All diese Dinge hat ein Blechflieger mit starrem Flügel nicht mehr, genau die sind es aber, die bei der C22 und anderen früher alle möglichen Fehler verziehen haben. Dieses Verzeihen ist weg. Insofern ist es also nur erwartbar, wenn Piloten, die mit einer C22 gut zurechtkamen und kleine Fehler ausgebügel bekamen in Grenzsituationen mit einem festen und auf Leistung getrimmten Flieger - oder einem festeren Rohr-Tuch-Flügel - in scheinbar überschaubaren Situationen - Motorausfall etc - deutliche Probleme bekommen (können).

Nicht im Standardflug natürlich, mit ausreichend Geschwindigkeit, die das Reservepolster an Auftrieb enorm anschwellen läßt, sondern dann, wenn 100% weniger Reserve zur Verfügung steht, als man das von einer C22 o.ä. gewohnt war. Samt all den anderen, hier nur zu einem kleinen Teil erwähnten Einflüssen, die einem frühen UL-Piloten das Fliegen und Leben leichter machten, ohne daß er es vielleicht wußte. Geringe Flächenbelastung an erster Stelle, Elastizität an zweiter.
busbumde
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Nochmal ich

Beitrag von busbumde » So 20. Mai 2007, 15:31

Als Ergänzung zum oben Gesagten noch schnell ein Bildchen aus planemaker zu einem Vierrad-IsI mit seltsamer Fläche. Eine leicht gepfeilte Fläche ist hier außem um Querruder ergänzt und so dort tiefer gemacht und - unsichtbar - auch noch geschränkt worden. Obwohl der Flieger sehr kurz ist, fliegt er mit der Pfeilfläche und der Schränkung der tiefen Aussenfläche bei allen Wetterbedingungen absolut stabil. Und, das ist der eigentliche Zweck, jetzt kann man den Knüppel mit und ohne Gas voll ziehen, ohne daß der Flieger abknicken oder eindrehen will, bei allen üblichen Flächenbelastungen. Nur mehr als Gleitzahl 8,5 wird man so halt auch nicht haben. Aber sehr sicher im Flugverhalten ist solch eine Flügelform - fast schon sunnyartig. Manchen wird sie an die ersten Nurflügler von A. Lippisch erinnern.

Bild
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